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Geschichte der Professur

... für Politische Philosophie, Theorie und Ideengeschichte

Der Fachbereich Politikwissenschaft an der Universität Freiburg wurde von Prof. Dr. Arnold Bergstraesser (*1896; †1964) gegründet, der ab 1954 eine planmäßige (außerordentliche) Professur für die Wissenschaft von der Politik und Soziologie in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät inne hatte.[1] Im Vorlesungsverzeichnis des Sommersemesters 1954 tauchte erstmals unter der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät das Seminar für Wissenschaftliche Politik auf.[2]
Das Seminar für Wissenschaftliche Politik befand sich zu dieser Zeit im obersten Stockwerk des Institutshauptgebäudes KG I - mit der damaligen Adresse Belfortstraße 11. Bis Ende des Wintersemesters 1956/57 gehörte das Seminar für Wissenschaftliche Politik zur Juristischen Fakultät als seiner Stammfakultät. Danach wurde es – auch haushaltsrechtlich – in die Philosophische Fakultät eingegliedert.[3] 1956 betraute die Fakultät Bergstraesser mit einer ordentlichen Professur, welche er bis zu seinem Tode im Jahr 1964 bekleidete.[4]

„Die große Gründergestalt der Politikwissenschaft in der Bundesrepublik[5]wie der Bergstraesser-Schüler Prof. Dr. Dieter Oberndörfer seinen Lehrer anerkennend tituliert – hatte 1932 ihre wissenschaftliche Karriere an der Universität Heidelberg mit einer Professur für Staatswissenschaften begonnen. 1937 war Bergstraesser in die Vereinigten Staaten emigriert, wo er ab 1944 als Professor für „Cultural History“ an der Universität von Chicago lehrte.[6]

Der Ruf Bergstraessers an die Freiburger Albert-Ludwigs-Universität im Jahr 1954 läutete den Beginn des Ausbaus des hiesigen Seminars für Wissenschaftliche Politik ein, welches – wie die westdeutsche Politikwissenschaft insgesamt zu dieser Zeit – noch in den Kinderschuhen steckte. Erst Anfang der 1960er Jahre hatte die westdeutsche Politologie ihren Etablierungsprozess im universitären Fächerkanon abgeschlossen.[7]

Bergstraesser konzipierte die Politologie als „synoptische Wissenschaft“[8]. Rasch kristallisierten sich um die Person Bergstraesser jene „‚politikwissenschaftlichen Talente’ (Manfred Messerschmidt) heraus, die eine ‚Freiburger Schule’ konstituierten“[9]: Kurt Sontheimer, Dieter Oberndörfer, Manfred Hättich, Gottfried-Karl Kindermann, Hans Maier, Hans-Peter Schwarz und Alexander Schwan.[10] In seiner Studie zum „politischen Forschungsprogramm“ der „Freiburger Schule“ nennt Horst Schmitt die Definitionsmerkmale „Bergstraesser-Schüler“ und „Repräsentant einer ’normativ-ontologischen Politikwissenschaft’“[11].

Oberndörfer, der bei Bergstraesser studiert hatte, schildert rückblickend die Atmosphäre zwischen Professoren und Studenten in den Anfängen des Seminars für Wissenschaftliche Politik an der Freiburger Universität folgendermaßen:

„Die Anonymität der modernen Massenuniversität gab es noch nicht [...] Vor allem in der Philosophischen Fakultät kannten die Studenten ’ihren’ Professor, und ’der’ Professor kannte ’seine’ Studenten [...] Da die Teilnehmerzahl an den Hauptseminaren gering war [...] wurden einige Hauptseminare abends in der Wohnung des Professors abgehalten. Nach dem Hauptseminar war der anschließende gemeinsame Umtrunk die Regel [...] Der ’frühe’ Bergstraesser hatte noch Zeit für seine Studenten. Nach den Vorlesungen lud er Mitarbeiter und Studenten in das Café Schmidt ein.“[12]

Personell konnte Bergstraesser zunächst auf eine Assistentenstelle zurückgreifen – bekleidet von Dr. Kurt Sontheimer. Im Zuge der Expansion der Studierendenzahlen wurde im Jahr 1958 dem Lehrstuhl für Wissenschaftliche Politik eine weitere Assistentenstellte, welche Oberndörfer zugewiesen wurde, und eine Sekretariatsstelle bewilligt.[13]

Inzwischen im KG II beheimatet, blieb der Lehrstuhl Bergstraesser zwischen den Wintersemestern 1964/65 und 1967/68 unbesetzt, bevor ihn Prof. Dr. Wilhelm Hennis (*1923; †2012) im Wintersemester 1967/68 übernahm. Hennis „erbte“ – wie er es formulierte – von Bergstraesser eine akademische Ratsstelle und inzwischen vier Assistentenstellen. In seinem Vortrag „Politikwissenschaft als Beruf. ‚Erzählte Erfahrung’ eines Fünfundsiebzigjährigen“ stellt Hennis an den Beruf des Politikwissenschaftlers folgende Anforderungen:

„Um Politikwissenschaftler zu werden, muß man die Politik nicht lieben. Es genügt, sie ernst und wichtig zu nehmen […] man muß auch die intellektuellen Werkzeuge, das Organon, in sich entwickeln, die zur wissenschaftlichen Erfassung und Betrachtung der politischen Dinge befähigen.“[14]

Seine universitäre Karriere hatte Hennis 1945 in Göttingen begonnen, wo er 1951 bei dem Staatsrechtler Rudolf Smend mit einer Arbeit über „Das Problem der Souveränität“ promoviert hatte. Einblicke in die praktische Politik hatte Hennis in seiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter des SPD-Bundestagsabgeordneten Adolf Arndt erhalten, wo er vom „Beobachterposten“ aus eine Anschauung von der „Politik als Beruf“[15] bekommen hatte. Die für den Beruf eines Politikwissenschaftlers erforderlichen „intellektuellen Werkzeuge, das Organon,“ hatte Hennis u.a. mit der Habilitation 1960 in Frankfurt und dem anschließenden Ruf an die Pädagogische Hochschule Hannover entwickelt, bis er nach einer Professur an der Universität Hamburg im Jahre 1967 an der Universität Freiburg die Nachfolge Bergstraessers antrat.[16]

Formal gehörte das Seminar für Wissenschaftliche Politik zwischen dem Sommersemester 1956 und 1970 sowohl zur Rechts- und Staatswissenschaftlichen als auch zur Philosophischen Fakultät. Dies änderte sich im Zuge der Hochschulreform 1969/70, die zu einer Umstrukturierung der gesamten Universität führte. Vom Sommersemester 1970 an war das Seminar ausschließlich der Philosophischen Fakultät IV zugehörig, die neben der Politikwissenschaft auch die verschiedenen Institute der Historiker und Soziologen umfasste.[17]

Der Umzug der Universitätsbibliothek aus dem KG IV in das neu errichtete Bibliotheksgebäude machte unterdessen seit dem Wintersemester 1985/86 die Ansiedelung von Teilen des Seminars im KG IV möglich.[18]

Im Jahre 1988 wurde mit Hennis eine Persönlichkeit emeritiert, der die Politikwissenschaft zum Beruf geworden war.[19] Es folgten drei Jahre der Lehrstuhlvertretung, bevor 1991 Prof. Dr. Ludger Kühnhardt (*1958) berufen wurde. In den Jahren 1987 bis 1989 war Kühnhardt als Redenschreiber für den damaligen Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland, Richard von Weizsäcker, im Bundespräsidialamt tätig gewesen. 1997 verließ Kühnhardt das Seminar für Wissenschaftliche Politik der Freiburger Universität, um eine Stelle als Direktor am Zentrum für Europäische Integrationsforschung (ZEI) an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn anzutreten.

Heute ist Prof. Dr. Gisela Riescher (*1957) Inhaberin der Professur für Wissenschaftliche Politik mit dem Schwerpunkt Politische Theorie/Politische Philosophie/Ideengeschichte. Sie studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Neuere deutsche Literaturwissenschaft an der Universität Augsburg. Von 1982 bis 1985 war sie Mitarbeiterin am Forschungsprojekt „Kommunalreform“, aus dem ihre mit dem Bezirkstagspreis ausgezeichnete Dissertation „Gemeinde als Heimat. Die politisch-anthropologische Dimension lokaler Politik“ (1987) hervorging. Nach ihrer Anstellung als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Theo Stammen in den Jahren 1985 bis 1987 war sie von 1988 bis 1993 Akademische Rätin auf Zeit. Im Dezember 1993 habilitierte sie sich mit der Schrift „Zeit und Politik. Zur institutionellen Bedeutung von Zeitstrukturen in parlamentarischen und präsidentiellen Regierungssystemen“ und wurde im Januar 1994 zur Oberassistentin (C2) ernannt. Es folgte die Vertretung von Prof. Dr. Kurt Sontheimer am Geschwister-Scholl-Institut der LMU München im Sommersemester 1994 und dem darauf folgenden Wintersemester. Vom Wintersemester 1995/96 an bis zum Sommersemester 1999 nahm sie die Lehrstuhlvertretung von Prof. Dr. Wolfgang Jäger wahr, der zum Rektor der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg gewählt worden war. Seit dem Wintersemester 1999/2000 ist Prof. Dr. Gisela Riescher Inhaberin der Professur für Politische Philosophie, Theorie und Ideengeschichte.

Professoren am Lehrstuhl für Wissenschaftliche Politik:

  • Bergstraesser, Arnold: 1896-1964, C4-Professor zwischen 1954 und 1964, Ausrichtung: Wissenschaftliche Politik und Soziologie
  • Hennis, Wilhelm: 1923-2012, C4-Professor zwischen 1967 und 1988, Ausrichtung: Wissenschaftliche Politik
  • Kühnhardt, Ludger: geb. 1958, C4-Professor zwischen 1991 und 1997, Ausrichtung: Wissenschaftliche Politik
  • Riescher, Gisela: geb. 1957, C4-Professorin seit 1999, Ausrichtung: Wissenschaftliche Politik mit Schwerpunkt Politische Theorie

Bibliographie

Quellen

  • Akten des Universitätsarchivs Freiburg i. Br. (UAF)
  • B 3/337: Besetzung des Lehrstuhls für wissenschaftliche Politik und Soziologie
  • B 3/338: Besetzung des Lehrstuhls für wissenschaftliche Politik (Außenpolitik)
  • B 24/231: Personalregistratur des Rektorates, Arnold Bergstraesser
  • Personen- und Vorlesungsverzeichnisse der Universität Freiburg i. Br.
  • Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.: Personen- und Vorlesungsverzeichnis, Sommersemester 1954.

Sekundärliteratur

  • Hennis, Wilhelm: Politikwissenschaft als Beruf. „Erzählte Erfahrung“ eines Fünfundsiebzigjährigen, in: Ders.: Regieren im modernen Staat. Politikwissenschaftlichte Abhandlungen I, Tübingen 1999, S. 381-415.
  • Herzog, Klaus: Chronik 1957-1982, in: Universität Freiburg (Hrsg.): 525 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Freiburg 1982, S. 173-192.
  • Jäger, Wolfgang: Die Philosophischen Fakultäten, in: Universität Freiburg (Hrsg.): 525 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Breisgau, Freiburg i. Br. 1982, S. 126-141.
  • Kastendiek, Hans: Die Entwicklung der westdeutschen Politikwissenschaft, Frankfurt a. M. / New York 1977.
  • Mehring, Reinhard: Wilhelm Hennis, in: Riescher, Gisela (Hrsg.): Politische Theorie der Gegenwart in Einzeldarstellungen. Von Adorno bis Young, Stuttgart 2004 (Kröners Taschenausgabe; Bd. 343), S. 226-229.
  • Oberndörfer, Dieter: Die Anfänge der Wissenschaftlichen Politik und Soziologie an der Universität Freiburg im Seminar Arnold Bergstraessers – Begegnungen mit Heinrich Popitz, in: Oswald, Hans (Hrsg.): Macht und Recht. Festschrift für Heinrich Popitz zum 65. Geburtstag, Opladen 1997, S. 29-42.
  • Schmitt, Horst: Politikwissenschaft und freiheitliche Demokratie. Eine Studie zum >politischen Forschungsprogramm< der >Freiburger Schule< 1954-1970, Baden-Baden 1995 (Nomos Universitätsschriften Politik; Bd. 57).
  • Schmitt, Horst: Die Freiburger Schule 1954-1970. Politikwissenschaft in „Sorge um den neuen deutschen Staat“, in: Bleek, Wilhelm / Lietzmann, Hans J. (Hrsg.): Schulen der deutschen Politikwissenschaft, Opladen 1999, S. 213-243.
  • Swierczyna, Gregor: Die Philosophische Fakultät, in: Universitätsarchiv Freiburg i. Br. B3 Philosophische Fakultät, S. 5-21.

Fußnoten

  • [1] Vgl. Universitätsarchiv Freiburg i. Br. (UAF) B 24/231, Deckblatt. Seit dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Differenzierung innerhalb der Philosophischen Fakultät. Hierunter fällt auch die Einrichtung von Lehrstühlen der Wissenschaftlichen Politik und Soziologie (1956/57), die zunächst stärker in der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät verwurzelt waren. Vgl. Swierczyna, Gregor: Die Philosophische Fakultät, in: Universitätsarchiv Freiburg i. Br. B 3 Philosophische Fakultät, S. 5-21, hier S. 8.
  • [2] Vgl. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.: Personen- und Vorlesungsverzeichnis, Sommersemester 1954, S. 29.
  • [3] Vgl. UAF B 3/337, Deckblatt. Zum Stand der politischen Wissenschaft an der Universität Freiburg im Jahre 1951 vgl. UAF B 3/337.
  • [4] Vgl. UAF B 24/231, Deckblatt.
  • [5] Oberndörfer, Dieter: Die Anfänge der Wissenschaftlichen Politik und Soziologie an der Universität Freiburg im Seminar Arnold Bergstraessers – Begegnungen mit Heinrich Popitz, in: Oswald, Hans (Hrsg.): Macht und Recht. Festschrift für Heinrich Popitz zum 65. Geburtstag, Opladen 1997, S. 29-42, hier S. 31. Zu den „Aufnahmekriterien“ in die „Freiburger Schule“ vgl. Schmitt, Horst: Die Freiburger Schule 1954-1970. Politikwissenschaft in „Sorge um den neuen deutschen Staat“, in: Bleek, Wilhelm / Lietzmann, Hans J. (Hrsg.): Schulen der deutschen Politikwissenschaft, Opladen 1999, S. 213-243, hier S. 222 Fußnote 59.
  • [6] Vgl. zu dieser biographischen Skizze UAF B 24/231.
  • [7] Zur Entwicklung der westdeutschen Politikwissenschaft vgl. die Studie von Kastendiek, Hans: Die Entwicklung der westdeutschen Politikwissenschaft, Frankfurt a. M. / New York 1977.
  • [8] Fraenkel. Zitiert nach: Kastendiek: Entwicklung der westdeutschen Politikwissenschaft, S. 204.
  • [9] Schmitt: Die Freiburger Schule 1954-1970, S. 222.
  • [10] Vgl. ebd., S. 222.
  • [11] Alle Zitate in diesem Satz stammen aus: Schmitt, Horst: Politikwissenschaft und freiheitliche Demokratie. Eine Studie zum >politischen Forschungsprogramm< der >Freiburger Schule< 1954-1970, Baden-Baden 1995 (Nomos Universitätsschriften Politik; Bd. 57), S. 93.
  • [12] Oberndörfer: Anfänge der Wissenschaftlichen Politik und Soziologie, S. 33 u. S. 36.
  • [13] Zu diesen Daten vgl. ebd., S. 34-35.
  • [14] Hennis, Wilhelm: Politikwissenschaft als Beruf. „Erzählte Erfahung“ eines Fünfundsiebzigjährigen, in: Ders.: Regieren im modernen Staat. Politikwissenschaftliche Abhandlungen I, Tübingen 1999, S. 381-415, hier S. 382.
  • [15] Beide Zitate in diesem Satz stammen aus: Ebd., S. 403.
  • [16] Vgl. zu dieser biographischen Skizze Mehring, Reinhard: Wilhelm Hennis, in: Riescher, Gisela (Hrsg.): Politische Theorie der Gegenwart in Einzeldarstellungen. Von Adorno bis Young, Stuttgart 2004 (Kröners Taschenausgabe; Bd. 343), S.226-229, hier S. 226 und UAF B 3/338.
  • [17] Vgl. Jäger, Wolfgang: Die Philosophischen Fakultäten, in: Universität Freiburg (Hrsg.): 525 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Breisgau, Freiburg i. Br. 1982, S. 126-141, hier S. 133. Die alte Philosophische Fakultät wurde im Zuge dieser Reform in vier verschiedene Fakultäten aufgeteilt. Vgl. Swierczyna: Die Philosophische Fakultät, S. 8.
  • [18] Am 2.10.1978 wurde nach fünfjähriger Bauzeit die neue Universitätsbibliothek am Werthmannplatz eröffnet. Zwei Jahre später (1980) begann der Umbau der ehemaligen Universitätsbibliothek zum KG IV. Vgl. Herzog, Klaus: Chronik 1957-1982, in: Universität Freiburg (Hrsg.): 525 Jahre Albert-Ludwigs-Universität Freiburg im Breisgau, Freiburg 1982, S. 173-192, hier S. 189 u. S. 190.
  • [19] Sein ganzes Berufsleben verbrachte Hennis „im äußeren Rahmen der Universität“, lehrte er doch an insgesamt sechs Hochschulen. Hennis: Politikwissenschaft als Beruf, S. 411.
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